Was bei Tee-, Honig- und Nahrungsergänzungsmittelherstellern schon länger bekannt ist, war bislang Gewürz Herstellern fremd. Mit der Stellungnahme des BfR (Bundesinstitutes für Risikobewertung) vom 28. September 2016 rücken Pyrrolizidinalkaloide (PA) für Gewürze und Kräuter näher.
Denn PAs könnten latent vorhanden sein. Allein es fehlt Datenmaterial für vernünftige Aussagen.
Die neueste Bitte der Verbände, Daten über Pyrrolizidinalkaloide in Gewürzen einzureichen,
hat deshalb seinen Grund.
Erfahren Sie hier warum es sich lohnt einen kühlen Kopf zu behalten….
Das Tolle an der Natur: sie hilft sich selbst!
PAs (Pyrrolizidinalkaloide) sind sekundäre pflanzliche Inhaltsstoffe, die in über 6.000 verschiedenen Pflanzenarten, meist in Unkräutern, vorkommen. Sie bilden diese Stoffe, wie viele andere Sekundärstoffe, zum Schutz vor Krankheitserregern, Pflanzenfressern, oder vor UV- Strahlung und Starklicht. Oder auch nur, um Bestäuber anzulocken.
PAs sind sekundäre pflanzliche Inhaltsstoffe in Unkräutern zum Schutz vor Fraßfeinden. Denn die PAs – bisher wurden mehr als 660 unterschiedliche PA identifiziert – wirken auf den tierischen Stoffwechsel giftig. Und so schützen sich Unkräuter vor Vieh und Wildtieren. Europäische Unkräuter wie Vergißmeinheit, Borretsch, Natternköpfe oder das Jakobskreuzkraut, das vorwiegend auf Brachflächen und an Straßenrändern wächst, haben sich einen solchen Schutzschild zugelegt.
Wildlebende Tiere sind die ersten, die von diesen Unkräutern heimgesucht werden, aber auch Pferde oder Hunde. Befinden sich die Unkräuter unweit von Feldern, können Flugsamen zur Ausbreitung führen. Und stehen sie erst einmal im Feld, werden die PA bildenden Pflanzen gleich mit geerntet und kontaminieren dann die Ernte.
Es ist deshalb erklärlich, warum PAs in Lebensmitteln wie Tees, insbesondere Kräuter- und Schwarzer Tees auftauchen oder in Blattgemüse auftauchen. Dass PAs auch in Honig vorkommen, verdanken wir den Bienen, die sie in den Bienenstock mitbringen.
Das BfR meint bislang aber, Verbraucherinnen und Verbraucher sind in Deutschland derzeit nicht akut gefährdet, weil die Mengen – die Dosis – in Europa nicht ausreicht um einen akuten Effekt hervorzurufen.
Welche Risiken gibt es beim Verzehr?
Erkenntnisse über toxischen Eigenschaften von PAs gibt es seit über dreißig Jahren. Schon 1988 stellte die WHO fest, dass die giftigen Wirkungen der PA sich kumulieren können.
PAs gelangen bei oraler Mengenaufnahme schnell in den Körper und werden dort verstoffwechselt.
Die Leber scheint das wesentliche Zielorgan für die toxischen Effekte zu sein. Leberdegenerationen wurden so bei Pferden festgestellt, Leberzirrhosen bei Schlachtrindern, die Alpenkreuzkraut mit Heu und Silage gefressen hatten. Auch bei Menschen wurden Leberzirrhosen und die Entstehung von Tumoren mit PAs in Langzeitanalysen in Verbindung gebracht. Aber noch fehlt verlässliches Datenmaterial. Lediglich in zwei Fällen konnten bisher Toxizität und Dosierung über den Tee-Konsum in Verbindung gebracht werden: bei einem sechsjährigem Mädchen und einem zwei Monate altem Jungen, der nach sechs Tagen verstarb.
In Tierversuchen wurden auch krebserzeugende Wirkungen bestimmter ungesättigter PA als gesichert angesehen und ein entsprechendes Risiko in Betracht gezogen. Einige PA (z.B. Monocrotalin) sollen sich auch negativ auf die Lunge wirken.
Warum PAs jetzt ein Thema sind
Im Juli 2013 gerieten die Pflanzenstoffe erstmals in die Kritik, nachdem im Rahmen eines Forschungs-projektes neue Analysemethoden entwickelt worden waren, die PAs exakter detektieren konnten. Diese Methoden sind so gut, dass PAs von nur fünf PA bildende Pflanzen auf einem Hektar Anbaufläche mit über 50.000 Nutzpflanzen nachgewiesen werden konnten. [1] Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) schlug jetzt angesichts zu hoher Werte an PAs im Tee Alarm!
Es dauerte nicht lang, da standen auch Honighersteller in der Optik: denn Bienen verbreiten die PAs über das gesamte Feld. Und damit gelangen die Sekundärpflanzlichen Inhaltsstoffe auch in den Honig.
2014 wurde vom Codex Alimentarius ein Verhaltenskodex zur Vermeidung und Verringerung der Kontaminationen von Lebensmitteln und Futtermitteln durch Unkrautkontrolle entwickelt, der 2016 durch den BLL übersetzt wurde. Das Thema schlug Wellen.
Im September 2016 nahm das BfR dann Stellung und forderte, die PA Gehalte in Lebensmitteln so weit wie möglich zu senken. Denn das BfR hatte die Ergebnisse dreier Studien(EFSA, BVL und BfR) zusammengefasst und konnte damit erstmals auf umfangreiches Datenmaterial für Tee, Honig und Nahrungsergänzungsmittel zurückgreifen. Erste PAs wurden auch in Gewürzen gefunden, allerdings waren die Stichprobengröße von 40 Proben an Gewürzen und Kräutern zu gering und deshalb schlussfolgerte der BfR: Gewürze und Kräuter stellen möglicherweise eine zusätzliche Expositionsquelle dar. Für eine abschließende Bewertung fehlen hier jedoch aktuell Informationen differenziert nach den einzelnen Sorten. Die Datenlage zu Gewürzen, so das BfR, sollte verbessert werden. im Fachverband sind inzwischen alle Mitgliedsfirmen aufgerufen worden, Daten zu den PA zu sammeln und zur Verfügung zu stellen.
Was wir bisher wissen
PAs – eine Folge der Pestizid Verordnung?
Wir haben es ja so gewollt, weil wir keine Pestizide haben wollten. Nachdem die Analytik seit einiger Zeit in der Lage ist, über 650 verschiedene Pestizide im µ-Bereich zu detektierten und unsere europäische Gesetzgebung immer strenger geworden ist, haben auch Gewürzbauern im Ursprung dazugelernt.
Das Thema Pestizide legt sich allmählich: nur in einigen Ursprüngen, bei speziellen Produkten oder im BIO-Bereich – in denen die Regeln noch strenger sind – kommt es immer noch vermehrt zu Pestizid Funden. Im RASFFs erscheinen inzwischen weit weniger Meldungen über Pestizid Funde, als Mitteilungen über nicht deklarierte Allergene.
Eine erfreuliche Entwicklung: mit einer Kehrseite der Medaille. Denn zu den Pestiziden gehören auch die Herbizide. Und die verhindern Unkrautwuchs. Seitdem die Bauern also weniger Pestizide einsetzen, kann sich das Unkraut wieder vermehren.
PAs – eine Folge des Anbaus?
Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht alle Gewürze von einer Kontamination durch Unkräuter betroffen sein können – sondern nur diejenigen, die bodennah auf Feldern angebaut werden. Kräuter oder bodennah wachsende Saaten zum Beispiel. Gewürze die auf Bäumen oder in Rispen, als Wurzel oder als Rinde wachsen scheinen nach bisherigen Erkenntnissen nicht betroffen.
Die Anfälligkeit für eine Kontamination mit PAs ist – unserer Erfahrung nach – dabei unterschiedlich und abhängig davon, ob großflächig auf Feldern angebaut wird oder in kleinen Parzellen. Besonders häufig dürften PA- Verunreinigungen dort auftreten, wo die Parzellen klein sind. Meistens gibt es hier keine Wegflächen zum Unkrautjäten. Auch ist die Gefahr von Unkräutern aus den Nachbar Parzellen besonders groß. Natürlich können auch wildwachsende Kräuter kontaminiert werden. Häufig genug ist es auch eine Frage des Ursprungs. Denn bisher konnten von uns noch keine PAs in Produkten aus der Ukraine gefunden werden.
Der Codex Alimentarius hat schon 2014 einen Verhaltenscodex zur Vermeidung und Verringerung der Kontaminanten von Lebensmitteln und Futtermitteln mit PAs durch Unkrautkontrolle (CAC/RCP 74-2014) entwickelt. Darin wird empfohlen, ein Unkrautmanagement auf landwirtschaftlicher Ebene einzuführen und zwar als eine Kombination aus nicht-chemischen und chemischen Verfahren als integriertes Unkraut Management um die größtmögliche Wirkung zu erzielen.
PAs – und der Health Based Guidance Value
Verschiedene Institutionen, wie z.B. die WHO, haben ein Risikobewertungs-Modell geschaffen, das es auch ermöglicht das Risiko der PAs in einem Lebensmittel zu bewerten. Der Health Based guidance value ist ein gesundheitsbezogener Richtwert, der von mit einer maximalen Exposition von 0,1 µ/kg bei 60 kg Körpergewicht.
D.h. konkret: werden PAs tatsächlich gefunden, gilt es das Risiko in einer toxikologischen Berechnung abzuschätzen.
Und die könnte so aussehen:
Gehalt an PA 764 µg/kg
Unter der Annahme, dass ein Erwachsener mit einem durchschnittlichen Körpergewicht von 60 kg etwa 5g der vorliegenden Probe zu sich nimmt, würde dies einer Aufnahme von 3,82 µg Pyrrolizidinalkaloiden entsprechen.
Dieser Wert liegt unterhalb des HBGV von 6µg (bezogen auf einen Erwachsenen mit einem durchschnittlichem Körpergewicht von 60 kg).
Bloß keine Verunsicherung
Derzeit gibt es noch keine Gesetzgebung und noch keine Grenzwerte für PAs, weder in Tees, noch in Honig oder Gewürzen. Von Gewürzen wissen wir aus der neuesten Nationalen Verzehrsstudie 2, des Max Rubner Institutes, dass Männer 33 g und Frauen 24 g/Tag an Soßen und Würzenden Zutaten zu sich nehmen: eine überschaubare Menge also, angesichts der Tatsache dass damit auch warme und kalte Soßen, Fruchtsoßen, Ketchup, Senf und Essig in diesen Ergebnissen eingeschlossen sind.
Eine norwegische Studie[2] lieferte 2007 erste Anhaltspunkte über die Häufigkeit und die Menge des Verzehrs an verschiedenen Gewürzen, wobei es im Kern in der Studie darum ging zwei statistische Methoden (FFQ und HSR) miteinander zu vergleichen. Im Ergebnis aber zeigt sie, wie wenig Gewürze nun wirklich direkt und indirekt vom Menschen aufgenommen werden.
Die Ergebnisse anderer Studien – wie zum Beispiel der gr0ßangelegten Chinesischen Studie aus dem Jahr 2008, bei der fast eine halbe Millionen Menschen vier Jahre analysiert wurden, zeigen das der regelmäßige Verzehr von Gewürzen zu einer verlängerten Lebenserwartung führen. Die Studie ergab, dass der regelmäßige Verzehr von Chiliprodukten zu einem Absenken der Sterblichkeit um 14% führte. [3]
Heute noch werden Gewürzen, wie z.B. Curcuma viele positive Eigenschaften auf den Körper zugeschrieben. Sie sind seit Jahrtausenden Teil der Ernährungslehre in der Traditionellen Chinesischen Medizin und auch die Homöopathie bedient sich der natürlichen Wirkungsweisen.
Auch wenn angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und besserer Analysemethoden, immer wieder neue Parameter auf uns zukommen, sollten wir nicht den Fehler machen, mit jeder neuen Schreckensmeldung in Panik zu verfallen. Schließlich berufen sich die Erkenntnisse des BfR bislang nur auf 40 (!!) eingesandte Gewürz-Proben. Wie hoch das PA Risiko aus Gewürzen ist, wissen wir nicht. Ersten Erkenntnissen zufolge, kann es Einträge geben und zwar bei wenigen Saaten und Kräuter aus bestimmten Ländern. Um diese Vermutung festzuklopfen, ist es jetzt besonders wichtig durch Analysen Datenmaterial zu generieren um daraus valide Erkenntnisse zu erzielen.
[1] Birgit Will, Schädlicher Wildwuchs, LZ 41, 14. Oktober 2016, S. 34 ff.
[2] http://www.bmj.com/content/351/bmj.h3942″
[3] M.H. Carlsen, R.Blomoff and L. F. Andersen, Intakes of culinary herbs and spices from a food frequency questionnaire
(Alle Angaben basieren auf eigenen Erfahrungen und Ansichten und sind ohne Obligo)