Ägypten ist nicht Hurghada
Viele bekamen große Augen, als es hieß das unsere nächste Auditreise nach Ägypten geht. Denn Ägypten steht für das Urlaubsgebiet am Roten Meer, für Sonne, Strand und Ausruhen. Mehr als eine Million sonnenhungrige Urlauber „erobern“ jährlich Hurghada. Aber das war nicht Ziel unserer Auditreise zu unseren Lieferanten. Erfahren Sie mehr im folgenden Reisebericht.

 

Gewürze spielen eine wichtige Rolle in der ägyptischen Küche, denn es wird gern scharf und würzig gekocht. Neben dem lokalen Verbrauch an Gewürzen, exportiert Ägypten für 150 Mio. USD pro Jahr Kräuter und Gewürze. Vor allem Anis und Cumin, aber auch Basilikum, Majoran, Schnittlauch und Petersilie. Wie aber funktioniert das in einem Land, das – abseits der großen Touristengebiete – bitterarm und klein an landwirtschaftlicher Nutzfläche ist. Wir wollten wissen: was gibt es für landwirtschaftliche Strukturen und welche zuverlässigen Lieferanten finden wir für unsere Kunden.

 

 

 

Landwirtschaft in Ägypten

Ägypten ist ein Agrarland: Landwirtschaft trägt rund 14 % zum BIP bei. 53 Prozent der Bevölkerung lebt in ländlichen Gebieten, wo der Lebensunterhalt direkt oder indirekt vom Agrarsektor abhängt.
Die ägyptische Landwirtschaft ist durch kleinen und zersplitterten Landbesitz gekennzeichnet. Etwa 80 % aller Landbesitzer besitzen landwirtschaftliche Flächen, die kleiner oder gleich 5 Feddans ( 1 Feddan= 0,42 ha) sind.  Im Land herrscht ein Ungleichgewicht zwischen dem Anbau von hochwertigen Kulturen und strategischen Kulturen (Baumwolle-Weizen-Reis-Mais).

Zu den wichtigsten Anbauprodukten in Ägypten gehören Zuckerrüben, Zuckerrohr, Weizen, Mais, Reis, Tomaten, Kartoffeln, Zwiebeln, Orangen, Weintrauben und Dateln. Zuckerrohr ist die wichtigste Kulturpflanze des Landes.
Etwa 80 % der Kulturen sind nicht hochwertigg genug, um auf die Exportmärkte verschifft werden zu können. Denn die europäischen Anforderungen sind hoch: gute Qualitäten, keine Pestzide, keine Kontaminationen, Produkte aus nachhaltiger Landwirtschaft.

 

 

Nachhaltige Landwirtschaft in Bani Suwaif
Bani Suwaif liegt 120 km südlich von Kairo und gehört zum Nil-Überschwemmungsgebiet mit lehmigen, fruchtbaren Böden. Hier lernen wir: Landwirtschaft der Zukunft heißt, mit der Natur arbeiten – nicht gegen sie. Kunstdünger und chemisch-synthetische Pestizide- und Herbizide sind durch den Ukraine Krieg sehr teuer geworden, weil sie energieintensiv hergestellt werden. Und: nachhaltiges Leben und Arbeiten gelingt, in regionalen, möglichst geschlossenen Kreisläufen. Das ist möglich, denn Landwirtschaft ist der einzige Wirtschaftszweig der Welt, der seine Erträge allein mithilfe der Sonne, also der Photosynthese, erbringen kann und nicht extraktiv arbeiten muss, also auf Ausbeutung.

Wir besuchen Farmer. Einen Bauern, der auf seinen Parzellen Basilikum, Petersilie und Schnittlauch anbaut. Wir können spüren, wie überzeugt er von seiner Arbeit ist. Stolz werden die Felder gezeigt, auf denen derzeit Basilikum vor dem dritten Schnit steht. Große und kräftige Pflanzen, gut 30 cm hoch. Die Parzellen sind relativ groß – so groß das eine Parzelle frischen Basilikums zu einem Container getrockneten Basilikum werden kann: sechs Tonnen getrocknetes Produkt! Eine Charge aus einem Feld – keine zusammengemischte Charge von vielen Farmern. Das macht Analysen sicherer und einfacher.

 

Zwischen den Pflanzen auf dem Feld gibt es Bewässerungskanäle. Aus Pumpen mit Brunnenwasser wird das gefilterte Grundwasser in die Äcker geleitet und bewässert die Pflanzen. Der Bauer zeigt seine Pumpen und erklärt uns, dass das Oberflächenwasser ungefiltert zu viele Schadstoffe beinhalten kann. Sein Grundwasser aber ist durch die Erdschichten gefiltert und sauber – er kontrolliert das Wasser monatlich.

 

Das Management dahinter trainiert die Bauern in Sachen Wasserqualität, Schadstoffe, Pflanzeneigenschaften und gewünschter Qualitäten. Pestzide, Herbizide und Kunstdünger werden nicht eingesetzt – nicht nur weil sie in der Corona-Zeit zu teuer geworden sind, sondern auch weil unser Plantagenbesitzer mit seinem Verarbeiter über viel Know-How verfügt und weiß, wie genau die europäischen Vorschriften für Pestzide und Düngemitel-Rückstände sind. – Häufig in Bereichen von 0,01 mg/kg. Er setzt keine Pestizide und nur organischen Dünger ein – und den bekommt er von seinen Tieren. Unerwünschte Pflanzen wie Unkräuter werden nicht mit Chemie vernichtet / unterdrückt, sondern ganz klassisch von Hand entfernt.

 

Plantagen und Verarbeiter
Es gibt eine Reihe von kleinen Plantagen, die ihre Produkte an ägyptische Verarbeiter liefern. Diese sorgen dafür, dass die frische Ware trocken genug für eine stabile Lagerung, sauber und nachgereinigt ist und so fit sind für den Export. Die Verarbeiter veredeln die von den Bauern händisch angebauten, gepflegten und geernteten Produkte.
Das macht die Bauern von den Verarbeitern abhängig und verlängert die Kete der verschiedenen Handelsstufen. Aber – die europäischen Importeure haben hohe Ansprüche an die Qualität und möchten einheitliche Produkte. Sie importieren Kräuter in ganzen Containern mit hohem analytischem Aufwand aus Ägypten. Deshalb brauchen Importeure gleichbleibende Qualitäten aus Monochargen. Von einem Bauern und aus einer Ernte.

Im Laufe der letzten Jahre wuchs die Zahl der größeren Familienbetriebe, die durch Hochzeit ihre bebauten Flächen ausweiten konnten. Aus diesen kleinbäuerlichen Betrieben wurden größere Betriebe. Je größer die Erntemengen dabei wurden, umso mehr wollten die Anbauer unabhängig von den lokalen Verarbeitern werden. Und so gibt es mitlerweile einige (Groß-) Bauern, die auch verarbeiten. Darunter auch große und sehr große Verarbeiter mit mehr oder weniger modernen, aber immer sehr zweckmäßigen Anlagen.

Verarbeiter und Exporteure
Ab einer bestimmten Größe exportieren die Verarbeiter selbst. Damit haben sie alles in einer Hand: Qualitäten, Mengen und Nachreinigung. Wir schauten uns einige Produktionen an und sind erstaunt über die Unterschiede, die es gibt. Sprachkenntnisse (nicht jeder spricht Englisch in Ägypten), europäische Erziehung, Informiertheit über Arbeits- und Produkthygiene, vorhandene GFSI-Zertifizierungen, nachhaltiges Handeln… Es gibt eine Vielzahl an Parametern, die für uns entscheidend bei der Auswahl eines geeigneten Lieferanten sind. 

Auf unserer Reise haben wir viele verschiedene Verarbeiter gesehen: vom kleinen Familienbetrieb, der nur über die Englischkenntnisse der jungen Generation Kontakt nach Europa aufnehmen kann. Der mitelständische Betrieb mit eigenen Farmen, der Groß-Verarbeiter mit sechs Zertifizierungen und eigenen Plantagen, und der Händler aus Dubai, der seine eigene kleine Verarbeitung hat. Von den sechs verschiedenen Anbietern, die wir auf unserer Reise durch Ägypten besuchten, kommen zwei für eine Zusammenarbeit in Frage. Wir freuen uns darauf!

Nachhaltigkeit fängt mit Wasser an – was ist mit GERD?

Der Grand Ethiopian Renaissance Damm (GERD), der im Nordwesten Äthiopiens gebaut wurde, ist der größte Staudamms Afrikas. Äthiopien will mit der 1,8 km langen und 145 Meter hohen Talsperre Strom produzieren und schneidet dabei die flussabwärts gelegenen Anrainerstaaten Sudan und Ägypten die Wasserversorgung ab. Im Staudamm sollen 74 Milliarden Kubikmeter Wasser gestaut werden.

Das Projekt sorgt seit Jahren für heftigen Streit unter den Nil-Anrainern. Ägypten, dessen Wasserbedarf zu 97 Prozent aus dem Nil gedeckt wird, bezeichnet das Mega-Projekt als eine existenzielle Bedrohung. Präsident Abdel Fattah al-Sisi und der äthiopische Regierungschef Abiy Ahmed haben im Juli vereinbart, innerhalb von vier Monaten ein Abkommen zu schließen. Ende August haben die Länder Ägypten, Sudan und Äthiopien neue Verhandlungen aufgenommen. Bereits heute führt der Nil ein Drittel weniger Wasser. 

Dabei braucht Ägypten die Nilschwemme, der durch den Monsun im äthiopischen Hochland   in den Monaten zwischen Mai und August zu starken Niederschlägen führt und den Nil über die Ufer treten lässt. Zeiten geringer Wasserführung bedeuten Dürre und Hungersnöte in Ägypten. Zeiten mit hoher Wasserführung führen zu Schäden an Dämmen und Häusern.  Dabei ist nicht nur das Wasser, sondern auch der mitgeführte – sehr fruchtbare – Nilschlamm überlebenswichtig, der aus Sedimenten besteht und sich auf dem Weg nach und durch Ägypten mit organischen Stoffen vermischt. Die Fluten sorgen für eine Durchfeuchtung der Felder, der Nilschlamm bringt Nährstoffe für die Landwirtschaft.