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Kommt man in die Dörfer mit gelb-roten Ziegelstein- und bunten Holzhäusern, sieht man sie schon von Weitem in ihren Nestern stehen. – Auf hohen Schornsteinen oder Nester Stangen und über die weiten Flächen Ausschau haltend. Manchmal sieht man sie direkt neben der Straße auf ihren roten Beinchen auf Futtersuche. Da wo Störche leben, heißt es, ist das Glück zu Hause und die Natur in Ordnung.
Für die Bauern im Baltikum sind Störche Fluch und Segen zugleich. Die Storchenpärchen, die im Winter in den Süden fliegen, kommen im Frühjahr immer wieder an den gleichen Ort zurück und bleiben den Kümmelbauern lang erhalten: Rund um die Nester sammeln sich sehr schnell aggressive Fäkalienreste an, die sich kaum mehr entfernen lassen. Da wo Störche einziehen gibt es kaum mehr Kaninchen oder Frösche. Sehr aktive Tiere lösen häufig Fehlalarme bei gesicherten Häusern aus und können so – rückt erst einmal die Polizei ein – zu einem teuren Vergnügen werden

 
Verlässlich sind jedoch die Bauernweisheiten, die mit den Störchen zu tun haben: Steht eine schlechte Kümmelernte bevor, werden die Jungtiere von ihren Eltern aus dem Nest geschmissen und so getötet. Steht feuchtes Wetter an und verzögert sich damit die Ernte der Kümmelbauern, kann man das an dem dunklen Gefieder der Störche ablesen. Ist es schneeweiß, scheint die Sonne und es kann geerntet werden.

 

Kümmel – Anbau
 

Es ist Zeit für die Kümmelernte im Baltikum. Neben Finnland, Lettland und Litauen wird Kümmel auch in Polen, Ungarn und in Ägypten angebaut. Die weiter südlich wachsenden Spezies sind meist einjährig, in Nordeuropa zweijährig.
 
Baltischer Kümmel ist eine robuste Spezies, die die kalten Sommer liebt. Ist der Sommer warm, hat der Baltische Kümmel nur einen ätherischen Ölgehalt von ca. 2,5 %. Ist der Sommer kalt, können ätherische Ölgehalte von bis 5 % erzielt werden.
 

Die Pflanzen werden im Vorjahr ausgesät. Die Blüte ist im Juni, die Reife erfolgt im Juli des drauffolgenden Jahres. Die Ernte findet Ende Juli/August statt. Um nicht zwei Jahre auf eine Ernte warten zu müssen, werden in Litauen Erbsen (einjährig) und Kümmel (zweijährig) gleichzeitig ausgesät. Nach einem Jahr können die Bauern dann die Erbsen ernten. Die Kümmelpflanzen haben bei der Ernte der Erbsen schon gut 2 cm lange Wurzeln gebildet und überstehen die Erbsen-Ernte mit der Erntemaschine sehr gut. Diese Methode hilft den Bauern, jedes Jahr zu ernten und Einnahmen zu bekommen, auch wenn die Kümmelernte bei dieser Duo-Methode etwa 20 Prozent niedriger ausfällt.
 

Kümmelanbau mit Erbsen als Bodendecker im ersten Jahr

 

Kümmeljungpflanze im ersten Jahr


 

Neben Kümmel bauen die Bauern um den Boden zu schonen, in Fruchtfolge auf ihren verschiedenen Feldern Weizen, Raps oder Senf an. Das streut das Risiko, denn fällt einmal eine Ernte schlecht aus, kann ein anderes Produkt mit einem höheren Ertrag den Verlust minimieren.
Die Kümmel Ernte in diesem Jahr soll eher schlecht werden, weil die Pflanzen unter der Dürre des letzten Jahres litten und keine rechten Wurzeln ausbildeten. Demzufolge blühten nur wenige Pflanzen.

 

 

Kümmelpflanze kurz vor der Ernte


 

Kümmel-Ernte
 
Die Felder sind groß. Sehr groß. Teilweise über mehrere 100 ha groß. Wer glaubt, die Kümmelbauern sind Kleinbauern, der irrt gewaltig. Und wer die Vorstellung hat, Kümmel würde noch manuell geerntet werden, der ahnt nicht, wie modern die baltische Landwirtschaft ausgestattet ist.

 

Kümmel an der Pflanze

 

Ernten heute
 

Wir haben das Glück in den ersten Tagen der Ernte dabei sein zu dürfen. Auf den rötlich-braunen Feldern wird der Kümmel, sobald er reif ist, mit der gesamten Pflanze geschnitten. Der Erntezeitpunkt bestimmt die Farbe des Kümmels: wird er noch halb grün geerntet, bleibt er nach dem Trocknen hellgrau, wird er vollreif geerntet, ist er dunkelbraun.
 

Kümmel schneiden

 

Sonnentrocknung auf dem Feld


 

Ist das Wetter trocken, bleiben die Kümmelpflanzen auf dem Feld für eine Woche zum Trocknen liegen. Das ist das Schonenste aller Verfahren. Keine Kreuzkontaminationen, keine Einträge durch Trocknungsmaschinen. Für feuchte Sommer werden Trocknungsanlagen vorrätig gehalten.
 

Nach einer Woche kommt der Kümmel-Ernter. GPS-gesteuert und mit einer Schnittbreite von ungefähr 11 Metern, zieht er mit 6 km/h über das Feld, nimmt die Kümmelplanzen hoch, drischt sie und separiert die Kümmelstückchen von den Stielen. Ich hatte das Glück, einen dieser Ernter zu fahren und war überwältigt von meinem „Claas“: 11 m breit, hoch wie ein LKW, GPS-gesteuert, vollklimatisiert und voller Technik. Mit den lauten und langsamen „Dreschmaschinen“ meiner Kindheit hat das gar nichts mehr zu tun. Das ist Digitalisierung vom Feinsten!
 

„Mein“ Kümmel-Ernter


 

Verarbeitung
 

Der ungereinigte Kümmel wird dann zum Verarbeiter gebracht, die LKW werden verwogen und der Kümmel in Silos geblasen.
 

Kümmel-Rohware vor der Reinigung


 

Dann wird er durch eine Dreifach-Strecke von Trieuren von oben nach unten geführt wird. In den Schlitztrieuren legen sich Kümmelkörner hinein, während die restlichen Bestandteile, wie Spelzen, rausgeschleudert werden. Von da aus wird der Kümmel über optische Reiniger (Sortex Cleaner), Spezialmagneten und Metalldetektoren geführt. Nach den Spezialmagneten, der auch Buntmetall entfernt, erfolgt das automatische Musterziehen. Aus einer Charge werden so alle fünf Minuten automatisch mehrere 100-Gramm-Muster gezogen und am Ende der Verarbeitung als Mischmuster analysiert.

 

Der Kümmel wird anschließend zwischengelagert, nach der Vollanalyse (unser Lieferant unterhält ein eigenes Labor) und Kundenwunsch weiterverpackt.
 

Es sind schon imposante Hilfsmittel der Landwirtschaft: GPS- und computergesteuerte Traktoren und Verarbeitungs-Maschinen, die so rein gar nichts mit der Landwirtschaft unserer Kindheit zu tun haben. Bauern und Verarbeiter sind heute Profis, die die Technik zu nutzen wissen.
 

Trotz dieser technischen Errungenschaften, von denen wir profitieren, bleibt die Abhängigkeit von und Ehrfurcht vor der Natur. Und nur wenn die Störche wiederkommen, wissen wir, dass diese in Ordnung ist.
 

Die jährliche Wette
 

Jedes Jahr wettet der Kümmel Produzent übrigens mit seinen fünfzig Mitarbeitern, ob die Anzahl der Babys der Mitarbeiter mit der Anzahl der Storchen-Jungtiere übereinstimmt. Ahnen Sie es? Meist stimmt die Anzahl überein und es sind genau so viel Babys wie Jungtiere, die in einem Jahr zur Welt kommen.